Was passiert, wenn die Sturzflut kommt
Kooperation zwischen Universität Siegen und Entsorgungsbetrieb der Stadt zum Hochwasserschutz im Stadtgebiet gestartet. Computer-Modell soll helfen, Sturzfluten und ihre Folgen zu simulieren.
Am 28. August 2002 regnet es in Siegen so stark, dass Keller und Wohnungen geflutet und Straßen überschwemmt werden. Die Regenfälle sind so heftig, dass ein Erdrutsch auf dem Friedhof in Kaan-Marienborn Särge vor die Wohnhäuser spült. Ein Unwetter mit dramatischen Folgen und großen Schäden. Lokale Sturzfluten wie diese können jeden Ort gleichermaßen treffen. Das Forschungsinstitut Wasser und Umwelt (fwu) der Universität Siegen und der Entsorgungsbetrieb der Stadt Siegen (ESi) arbeiten nun in einem Kooperationsprojekt daran, die Gefahren von Starkregenereignissen für das Stadtgebiet Siegens zu erforschen. Ein Computermodell soll helfen, Sturzfluten und ihre Folgen zu simulieren – und so den Hochwasserschutz auf ein neues Niveau zu bringen.
Das Projekt läuft unter dem Namen „Simulation von Starkniederschlägen im Stadtgebiet Siegen“ (SiSSi). Die Kooperation ist Anfang des Jahres 2016 gestartet und auf vier Jahre angelegt. Die Kooperationsvereinbarung haben Ulrich Krüger (Betriebsleiter ESi) und Prof. Dr. Jürgen Jensen (Lehrstuhl für Hydromechanik, Binnen- und Küstenwasserbau) unterschrieben. „Das ist ein Leuchtturmprojekt – für die Universität und für die Region“, sagt Prof. Jensen. „Das soll das Siegener Modell werden. In Siegen ist der Wasserbau zu Hause“, sagt Ulrich Krüger.
Seit Jahren beschäftigen sich Universität und Stadt mit dem Hochwasserschutz. „Doch was wir hier angehen, geht einen deutlichen Schritt weiter. Wir möchten das Niederschlagsereignis vom Regen bis zum Abfluss systematisch erfassen“, erklärt Prof. Jensen. Unter der fachlichen Leitung von Stephan Roth (ESi) und Dr. Jens Bender (fwu) werden dafür Computermodelle entwickelt, mit denen die Interaktion zwischen Kanal- und Oberflächenabfluss bei Starkniederschlägen simuliert werden kann. Ein solches Modell könnte verschiedene Szenarien wie beispielsweise gefrorene Böden im Winter ebenso berücksichtigen wie punktuellen Starkregen und die Folgen im Stadtgebiet.
„Wasser interessiert sich nicht dafür, wie groß die Kapazität unserer Kanäle ist. Was passiert, wenn alles überlastet ist? Durch eine Simulation des Ganzen können wir herausfinden, wo wir unsere Maßnahmen verbessern können, wo wir aber auch Bürgerinnen und Bürger über ein Risiko informieren müssen und Notfallpläne entwickeln“, sagt Krüger. Im ersten Schritt sollen diejenigen Bereiche des Siegener Stadtgebiets identifiziert werden, die von Sturzfluten gefährdet sind.
Auf Grundlage der Ergebnisse sollen im Anschluss Starkregengefahrenkarten erstellt und Schutzmaßnahmen entwickelt werden. Der Entsorgungsbetrieb liefert dazu eine Vielzahl an Daten, die beispielsweise über das Kanalnetz (630 Kilometer), die Regeneinläufe (16.000 Stück) und die Messungen der Niederschläge vorliegen. Eine detailgetreue Abbildung der Bebauung des Stadtgebiets soll entstehen. „Wir möchten ein realistisches Modell entwickeln, das die Natur wiedergibt und verschiedene Situationen simulieren kann“, sagt Prof. Jensen. Die Daten bilden die Grundlage für ein Modell, das simuliert, was in Siegen passiert, wenn ein extremer Starkregen einsetzt. Beispielsweise, welche Auswirkungen Starkregen auf das Industriegebiet im Leimbachtal oder die Innenstadt hätte.
„Es geht auch darum, ein Bewusstsein zu schaffen, dass es dieses Risiko gibt. Die Natur ist mächtiger als der Mensch. Je besser wir uns vorbereiten, welche Teile im Katastrophenfall gefährdet sind, desto geringer sind die Schäden“, sagt Prof. Jensen. Für die Universität Siegen bietet diese Kooperation viel Potenzial. Die Forschungsfrage lautete, welche Daten nötig sind, um ein solches Computermodell zu entwickeln. Des Weiteren sollen im Rahmen des Projektes Promotionen angefertigt werden.
Artikel: André Zeppenfeld, Pressestelle der Universität Siegen